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Torre Alfina, Orvieto, Italien 2006 |
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Franz F. Wörle - Fragen zum plastischen Werk
Wie lässt sich die Formensprache in den Arbeiten von
Franz F. Wörle beschreiben? Sind die Skulpturen konkret oder gegenständlich?
Bei den Skulpturen von Franz F. Wörle ist als Grundform der Kubus bestimmend. Seine Arbeiten bewegen sich zwischen der ausladenden Massivität der Bodentore und der beinahe filigranen Senkrechte der "Seelenhäuser". Auch ihre Binnengliederung ist weitgehend auf Senkrechte und Waage- rechte beschränkt. Die "Seelenhäuser" beispielsweise bestehen aus einem Sockelbereich, einem quaderförmigen, geschlossenen Aufbau mit offenem Stützengeschoss und abschließender Abdeckung. In den Stützengeschossen finden sich kleine Variationen von Dreieck, Viereck, Quadrat, Prisma, Keil und Rad.
Auf den ersten Blick erscheint die einzelne Arbeit somit als eine konkrete, das heißt ungegenständliche Plastik. Doch nicht nur die Titel, sondern auch der strenge Aufbau mit
Versatzstücken wie Torformen, Stufen und Pfeilern lässt an Architektonisches denken. Die schnörkellosen geometrischen Formen sind archaisch und modern zugleich, wobei
die rostige Oberfläche des Eisens dem Archaischen den Vorrang gibt.
Hier mögen dem Künstler die Bauformen und Landschaften, die er im Zuge längerer Aufenthalte in Nordafrika kennen lernte, Pate
gestanden haben. Jedoch verarbeiten Wörles Plastiken diese Erfahrungen, ohne sich direkt darauf zu beziehen. Vielmehr geht es um die Idee, eine zugleich würdige wie schlichte Behausung zu
schaffen. |
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Kasbah 2004 |
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In welchem Verhältnis stehen die Skulpturen zur Architektur?
Die Bezeichnungen "Stele",
"Tor" oder "Seelenhaus" deuten den Bezug zur Architektur explizit an. Die in der Architektur notwendige Funktionalität jedoch ist in den Skulpturen von Wörle ausgesetzt.
Die Mehrzahl der Tore kann nicht durch- schritten werden, die Seelenhäuser können nicht bewohnt werden (es sei denn von einer Idee oder Vorstellung) und die Stelen (ursprünglich im alten Griechenland die
Bezeichnung für als frei stehende Pfeiler errichtete Grenz- oder Inschrift- steine oder Grabmäler) sind aus dem zivilisatorischen Kontext genommen.
Zum einen sind die Skulpturen theoretische
Überlegungen zu geometrisch-abstrakter Formbehandlung, ihrer Veränder- lichkeit und ihrer kubistischen Vieldeutigkeit, denn indem sie umschritten werden, ergeben sich jeweils andere Ansichten und eröffnen damit neue
Einsichten. Zum anderen führt die schon beschriebene Form- und Oberflächenbehandlung weg von der architektonischen Präzision, die der Funktionalität verpflichtet ist, hin zur organischen Belebung, die den Verfall
als Thema impliziert.
Damit werden theoretische, abstrakte Reflexionen über die menschlichen Grundfragen angeregt, die sich mit Entwick- lung, Vergänglichkeit, Relativität der Ansichten,
Materialität und Transzendenz, Zeit, Raum und Bewegung beschäftigen. Gerade bei den "Seelenhäusern" werden im oberen Bereich der Skulpturen Assoziationen zum architektonischen Auf- bau von
Tempelanlagen oder auch Tabernakeln freigesetzt, freilich mit der auch dort existierenden Verknüpfung bzw. Identifikation von materiellem Baukörper und religiöser, numinoser Idee.
Entscheidend
dabei ist, dass die Skulpturen in einem Koordinatensystem der Größen Betrachter und Raum erst ihre über das Architektonische hinausgehende Dimension erhalten, die in einer Wirkung des Erhabenen mündet. |
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Wörle verwendet für seine Skulpturen Begriffe wie "Stelen", "Tore" und "Seelenhäuser". Inwieweit sind es
formale Definitionen? Gibt es Quer- verbindungen untereinander?Zwar bezeichnet z.B. "Stele" im heuti- gen Sprachgebrauch eine
meist lang- gestreckte vertikale Grundform; Wörle jedoch wählte diesen Titel durchaus bewusst in Anlehnung an ihre antike Bedeutung als Grabdenkmal.
Die
gleiche Faszination für den Grenz- bereich zwischen Leben und Tod strahlen die Tore aus, deren wesent- liche Vertreter die "Bodentore" sind. Auch sie spielen - ähnlich der
Scheintür in einer Grabkammer - mit der Möglichkeit des Übergangs in einen gegensätzlichen Zustand.
Die jüngsten "Seelenhäuser" stellen die
konsequente Weiterführung des Stelenmotivs dar. Ihre Öffnung jedoch beherbergt eine jeweils kleine archi- tektonische Anlage von sakralem Charakter, die mit dem Sitz einer "Seele"
assoziiert werden kann . |
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Museum Moderner Kunst Passau 2003 |
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W ie äußert sich in den Arbeiten der Bezug zur menschlichen Gestalt?
Der erste Eindruck lässt den
Gedanken an die menschliche Gestalt eher zurücktreten, die architektonische und konkrete Form dominiert. Beim längeren Verweilen und Umschreiten der Skulpturen regen sich
dann doch Assoziationen zur menschlichen Gestalt. Die Größe der Skulpturen überschreitet selten das menschliche Maß. Genauso wichtig wie die Erdnähe und die Bodenbündigkeit seiner
Skulpturen ist Wörle das Empor und Aufrechte der Vertikalen.
Vereint zu Gruppen oder paarweise präsentiert, bekommen alle Skulpturen, so eng sie untereinander im Material und vollzogenen
Arbeitsprozess auch verbunden sind, ihre Individualität, weit entfernt jedoch von vertrauter Figürlichkeit. Die elementare Sprache seines Materials und seiner
Formen erlaubt es Wörle, eine unmittelbar sinnlich erfahrbare, eindringliche Dialogsituation zu schaffen. Wörles bildhauerische Schöpfungen gehen zwar von der reinen,
vorerst inhaltslosen, ungegenständlichen Form aus, in der direkten Betrachtung aber kommt es zu einer Personalisierung der Skulptur, zu einer behutsam angedeuteten Beseelung.
Es sind keine
abstrahierten Stilisierungen der Menschengestalt, sondern Formen, die sich mit der geistigen Dimension menschlicher Existenz auseinandersetzen. Auch sind die Kanten keine
exakten Winkel, Schweißnähte sind sichtbar gelassen und wirken ausgefranst. Es sind gerade die kleinen Abweichungen von der geometrischen Norm, welche den Arbeiten eine unmittelbare Belebung zuteil werden lassen.
Der andere Grund dieses Eindrucks des Organischen liegt in der stofflichen Oberfläche der Skulpturen.
Das Material Eisen wurde durch die Zeit, aber auch durch den Einsatz von die Korrosion
beschleunigenden Mitteln, aufgetaut und porös. Die rostige Oberfläche mit ihrer warmen, rötlichbraunen Farbigkeit weckt Assoziationen mit Struktur und Beschaffenheit menschlicher Haut.
Text: Judith Bader MA und Dr.Birgit Löffler |
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